"Skinny Love" - Birdy
Obligated to the Piano #7
Geschichte:
"Skinny Love" stammt aus der Feder des Musikers Justin Vernon, dem Kopf der amerikanischen Indie
Folk Band Bon Iver. Der Song erschien zunächst auf dem von Vernon selbstverlegten Album "For Emma,
Forever Ago", danach fand er Verwendung in mehreren US-Fernsehserien, u.a. in Grey's Anatomy und
Chuck. Birdy's Version des Songs wurde ebenfalls im US-Fernsehen eingesetzt und dadurch bekannt, vor
allem durch die Serie The Vampire Diaries.
Die Musikerin Birdy - bürgerlicher Name: Jasmine van den Bogaerde - gewann mit ihrer Version von
"Skinny Love" den Open Mic UK, einem Wettbewerb für Sänger und Solokünstler in Großbritannien.
Birdy spielt Klavier seit sie sieben Jahre alt ist, ihre Mutter ist Konzertpianistin. Seit Birdy acht ist, komponiert
sie auch eigene Musik. Ihr Debut-Album "Birdy" erschien 2011, im wesentlichen enthält es Coverversionen
von Songs verschiedener Indie-Bands. In den Niederlanden, Belgien und Australien stand es an
der Spitze der Charts.
Birdy's Version von "Skinny Love" hat bis jetzt fast 8 Mio. Klicks auf Youtube.
Song und Arrangement:
"Skinny Love" ist durchweg diatonisch, es enthält keine tonartfremden Noten bzw. Harmonien. Die Harmonik
ist entsprechend einfach, Tonika E bzw. C#m, Subdominante A bzw. F#m, die Dominante B taucht
nur mit Terzbass als Durchgangsharmonie zwischen E und C#m auf. Man kann das B auch als G#m mit
Quintbass verstehen.
Die Songstruktur ist verzwickter. Einen richtigen Vers finden wir bestenfalls im Teil ab Takt 13, allerdings
verwendet der Teil die gleiche Harmoniefolge sowie eine ähnliche Melodiestruktur wie der Chorus.
Die erste Bridge ab Takt 21 spiegelt die Melodiestruktur in Chorus und Vers, außerdem folgen die einzelnen
Phrasen nun taktig aufeinander, nicht mehr zweitaktig. Über die gleiche Harmoniefolge folgt in Bridge
II eine neue Melodielinie.
Ab Bridge II weicht Birdy's Version deutlich von Bon Iver's Original ab, das mit dieser Bridge endet. Birdy
singt noch einen weiteren Chorus (Takt 45 ff), doch nicht mehr komplett, nur noch die erste Hälfte der
ersten Phrase ("Come on skinny love") wird gesungen, der Rest ist instrumental. Der Song endet mit einem
Outro, das keinen melodischen Bezug zum Rest des Stückes hat.
Birdy's Klavierbegleitung zu ihrem Gesang ist einfach, aber sehr effektiv. Die linke Hand übernimmt die
Grundtöne, die rechte Hand eine 8tel-Zerlegung der jeweiligen Harmonie. Oberstimme in der rechten
Hand und Grundton in der linken Hand bilden dabei meist eine Dezime, was ein sehr weiches, luftiges,
aber dennoch volles Klangbild liefert. Ich habe versucht, dieses Klangbild so gut als möglich in die linke
Hand zu übertragen. So kann sich die rechte Hand alleine um die Melodie kümmern.
An vielen Stellen erschien mir die genaue Übertragung der gesungenen Melodie auf das Klavier als nicht
sinnvoll. Vieles, was mit der menschlichen Stimme und einem gesungenen Text machbar ist und gut
klingt, funktioniert auf dem Klavier nicht. Zum Beispiel hält Birdy kaum eine gesungene Note länger als
eine Viertel - übertragen auf das Klavier klingt das bestenfalls "abgehackt". In solchen Fällen bin ich stets
vom "Kern" bzw. "Sinn" der Melodie ausgegangen, so wie ich ihn verstehe, und habe diese Stellen entsprechend
eingespielt bzw. notiert.
In der Bridge habe ich die Melodie ab der fünften Phrase (beginnend in Takt 24) eine Oktave nach oben
gesetzt und ein wenig modifiziert. Anderenfalls würde die im Prinzip stets gleiche Phrase achtmal aufeinander
folgen, das erschien mir dann doch zu eintönig ohne einen sich ändernden Text.
Im zweiten und dritten Chorus (Takt 31 ff, 45 ff) habe ich eine Oberstimme hinzugefügt und kleine Fills
eingebaut (Takt 32 bzw. 46 bis 48). Die Teile werden dadurch voller und heben sich nicht nur dynamisch
stärker von der Bridge ab.
Spieltipps:
"Skinny Love" ist eine Ballade, man sollte es also keinesfalls zu schnell spielen, im Zweifelsfall lieber
langsamer. Allerdings lässt sich mit dem Tempo gut "arbeiten", die "F#m7 - C#m"-Stellen und die Enden
der Bridges sind prädestiniert für ein Rallentando. Zum Teil habe ich das entsprechend notiert.
Der Dynamikumfang des Klaviers kann voll ausgeschöpft werden, also piano-Stellen richtig leise, forte-
Passagen richtig laut spielen. Durch die Arbeit mit Tempo und Dynamik kann man viel aus der Partitur
rausholen.
Phrasierungsbögen habe ich nur in der Bridge angegeben, in den anderen Teilen ergeben sich die Phrasen
aus der Pausensetzung.
Wie bereits erwähnt, habe ich versucht den Dezimencharakter der Begleitung weitgehend beizubehalten.
Das führt zu einigen Schwierigkeiten in der Umsetzung.
Zunächst sind Stellen wie in Takt 13 ff der linken Hand stets so zu verstehen:
Kaum jemand hat eine solche Handspanne, also muss das Pedal die Grundtöne der Harmonien halten. Die
Mittelstimmen (g# und e im Beispiel oben) spiele ich stets mit dem 3. Finger, so ergibt sich eine "Wagenradbewegung"
der linken Hand, die das Treffen des oberen Intervalls sehr erleichtert.
Einige der im unteren System notierten Noten spielt man am einfachsten mit der rechten Hand, bzw. muss
sie mit der rechten Hand spielen, wenn die Handspanne zu klein ist, z.B. das a auf der "1" in Takt 19.
Vor allem Bridge II kann man nicht wie notiert spielen, versuche es mit folgendem Handsatz:
Jetzt sollte man noch darauf achten, dass die Arpeggios klingen, als wären sie mit nur einer Hand gespielt.
In Takt 39 wird e1 in der linken mit g#2 in der echten Hand, in Takt 40 d#1 mit g#2 angeschlagen usw., etwa
in dieser Art:
Dennoch, falls möglich sollte man den Zusammenhang einer Stimme nicht stören und Stimmen wenn immer
möglich in einer Hand belassen. So sollte z.B. das g#1 auf der "2" in Takt 10 unbedingt mit der linken
Hand gespielt werden, auch wenn es für die rechte Hand nur ein "Katzensprung" zu diesem g# ist.
Ich wünsche Dir viel Spaß mit Birdy's "Skinny Love". Es ist ein einfaches Stück, aus dem man aber viel
machen kann.
Keep on playing!
Greg