Me And Mrs. Jones

Description "Me And Mrs. Jones "

"Me And Mrs. Jones" - Michael Bublé
Obligated to the Piano #15

 

Geschichte
„Me And Mrs. Jones“ - in der Fassung von Billy Paul - war der erste Pophit aus der Phillysound-
Schmiede des Songwriter/Produzentenduos Kenny Gamble und Leon Huff. Der Text, geschrieben
von Cary Gilbert, handelt von einer außerehelichen (oder sonst irgendwie verbotenen) Liebesbeziehung.
Der Song wurde im September 1972 veröffentlicht und erreichte Position 1 der Billboard Hot
100 in den USA.
Über den Philadelphia Soul (bzw. den Phillysound) und seiner Abgrenzung zum Soul des Motown-
Labels aus Detroit, über die stilprägend beteiligten Produzenten, Musiker und Komponisten, über
deren Bedeutung für die Musikgeschichte kann man... z.B. eine Semesterarbeit in Musikgeschichte
schreiben.
... oder sich einfach nur freuen, dass diese beiden Labels und ihre Protagonisten so viel fantastische
Musik geschaffen haben.
Über den Song selbst gibt es ein paar interessante Anekdoten. In einem Radiointerview 2008 erzählte
Kenny Gamble über dessen Entstehung. Er und Leon Huff hätten einen Mann und eine jüngere
Frau beobachtet, die sich täglich in der kleinen Bar unterhalb der Büroräume des Plattenlabels trafen.
Sie kamen getrennt von einander, hörten sich immer die gleichen Songs in der Jukebox an und
verließen die Bar wieder. Gamble und Huff hätten das Paar irgendwann „me and Mrs. Jones“ getauft
und sich vorgestellt, die beiden hätten eine geheime, romantische Affäre - obwohl es auch nur
Vater und Tochter oder Onkel und Nichte hätten sein können. Inspiriert von dieser Vorstellung
seien sie hinauf in ihr Büro gegangen und hätten den Song geschrieben.
Das Geheime der Beziehung wird auch musikalisch kurz im Intro des Songs angedeutet: Das Saxofon
zitiert die erste Phrase aus Doris Day’s Song „Secret Love“. (www.songfacts.com)
Auch den gesellschaftspolitischen Aspekt des Songs sollte man erwähnen: Als „Me And Mrs. Jones“
1972 in der USA-weit ausgestrahlten Fernsehsendung Soul Train vorgestellt wurde, waren Unzucht
und Ehebruch im Staat Pennsylvania noch gesetzlich verboten; nur wenige Tage später fand
dort eine Abstimmung über den Fortbestand des Verbotes statt. Sie scheiterte und das Verbot wurde
1973 aufgehoben. (wikipedia.org)
2009 nahm das Magazin Essence den Song in die Liste der „25 Best Slow Jams of All Time“ auf.
Michael Bublé coverte „Me And Mrs. Jones“ 2007 und gab ihm einen „neuen Anstrich“. Fantastisch,
wie er das gemacht hat - eigentlich sind da keine wirklich neuen Ideen, alle Lines sind schon
im Original von Billy Paul zu hören, und trotzdem klingt der Song auf einmal frisch und neu. Ganz
anders funktioniert etwa die Version von Amy Winehouse 2006, die den Song radikal auf den Kopf
stellt.
Bublé ist Jahrgang 1975, der Song „Me And Mrs. Jones“ ist drei Jahre älter als er, Winehouse war
Jahrgang 1983.
Gute Musiker, gute Musik, gute Musikerinnen, vielleicht kennen sie keine Zeit.
Auch Bublés Version hat eine Anekdote: Er nahm den Song mit seiner damaligen Freundin, der
Schauspielerin Emily Blunt auf, die ein paar Adlibs im Outro singt. Kurz vor der geplanten Veröffentlichung
trennten sich die beiden, die Veröffentlichung wurde abgesagt, die schon gepressten
Singles zurückgezogen und kaum mehr Werbung für den Song gemacht. Nicht zuletzt deshalb ist
Bublés Version, außer in der Schweiz, nirgends in den Charts gelandet.
Zum Glück spielt Bublé „Me And Mrs. Jones“ immer noch live. Seine Aufnahme aus dem Madison
Square Garden 2009 habe ich als Ausgangspunkt meines Arrangements genommen. Ich finde sie
noch deutlicher gelungener als die Studioversion.

Song und Arrangement
Oft wird der Song im 4/4-Takt notiert, ich habe mich für den 6/8-Takt entschieden, ich finde, er
trifft Michael Bublés Version besser. Wenn ich im Folgenden von Takten spreche, lege ich den 6/8-
Takt zu Grunde.
Mir persönlich hilft es, die Struktur eines Songs zu verstehen, vor allem, wenn ich ihn auswendig
lernen möchte.
Der Aufbau scheint zunächst einfach: 16 Takte Intro bzw. Outro, im Wechsel zwischen Tonika und
Subdominante, der Songkörper hat 36 Takte, wird dreimal gespielt, beim dritten Mal einen Halbton
höher, außerdem wird die Dominante V7 jetzt um einen Takt verlängert.
Der Songkörper hat vereinfacht folgende Form:
Imaj7 | V7sus | Imaj7 | V7sus |
IIIm7 |  | IIm7 |  |
IIm7 | V7sus | IIm7 |  |
V7sus | (bII7) | Imaj7 |  |
IIIm7 | III7 | VIm7 |  |
IIIm7 |  | IIm7 | V7sus |
Imaj7 | III7 | VIm7 |  |
IIIm7 |  | II7 |  |
V7sus | V7 | N.C. |  || (N.C. = no chord)
Nichts scheint auf den ersten Blick gegen diese Form zu sprechen (vielleicht abgesehen von Takt
13, der mit einer (sus-)Dominante V7sus auf einer Schwerzeit beginnt; das ist zumindest ungewöhnlich).
Dennoch wird diese Form dem Gesang nicht gerecht. Berücksichtigt man die Gesangsphrasen,
deren Beginn und Länge, wirkt folgende Form bzw. Einteilung oder Denkweise wesentlich geeigneter:
Imaj7 | V7sus | Imaj7 | V7sus |
IIIm7 |  | IIm7 |  | IIm7 | V7sus |
IIm7 |  | V7sus | (bII7) |
Imaj7 |  | IIIm7 | III7 ||
VIm7 |  | IIIm7 |  |
IIm7 | V7sus | Imaj7 | III7 |
VIm7 |  | IIIm7 |  |
II7 |  | V7sus | V7 | N.C. |  ||
Michael Bublé hat die ein oder andere Harmonie zum Original hinzugefügt, auch ist die Akkordfolge
nicht in allen drei Teilen exakt gleich. Ich bin seiner Harmonisierung im Wesentlichen gefolgt.
Wenn ich ein Bigband-Arrangement auf das Klavier übertrage, ist es oft ein bisschen so, als würde
ich in einen Gummibärchenladen gehen: Ich werde vom Angebot regelmäßig erschlagen, ich will alles
haben und weiß doch, dass das nicht möglich ist - ich habe nur zehn Finger. Die ein oder andere
Linie wirst du deshalb nicht in meinem Arrangement finden. Vor allem den Klavierlinien und -fills
trauere ich nach, wenn ich Bublés Fassung oder das Original höre.
Die Ausgestaltung der Harmonik bzw. die daraus abgeleiteten Voicings funktionieren über weite Teile als „hybride Strukturen“ bzw. Slash-Chords, wie man sie oft im Soul findet. Betrachten wir
z.B. Takt 26 - 29: Eigentlich ist das immer ein Fmaj7, mal mit einem G im Bass (dann wird es zu einem
G13sus, Fmaj7/G), oder einem D im Bass (dann wird es zu einem Dm9, Fmaj7/D), zwischendrin
wird alles einen Halbton nach oben geschoben (Gbmaj7/Ab).
Falls du noch nicht mit Slash-Chords in Berührung gekommen bist, möchte ich ein paar Worte darüber
verlieren.
Einen Fmaj7/G spricht man „F major sieben über G“ und genauso spielt man ihn: Man benutzt ein
einfaches Voicing bzw. eine Umkehrung für Fmaj7 und spielt es über einem G im Bass. Das ist zum
einen intuitiver als die (funktional korrekte) Schreibweise G13sus, zum anderen erzeugt man automatisch
das erwünschte Klangbild: Fmaj7 soll als „Obervierklangs-Struktur“ zu hören sein. Wichtig
ist, den Fmaj7/G als eine G-Harmonie zu verstehen, nicht als eine F-Harmonie. Beim Cmaj7/E in
Takt 78 handelt es sich dagegen nicht um einen echten Slash-Chord. Hier ist es immer noch eine CHarmonie,
/E gibt nur an, dass die Terz im Bass liegen soll.
Die Notation der Harmonien habe ich dementsprechend angepasst und Slash-Chords immer dann
angegeben, wenn sie mir für den Sound wichtig erscheinen. Ebenso bin ich mit den Dominanten
und deren genauen Alterationen verfahren (Takt 30, 42, 50, etc.). Die übrigen Harmonien habe ich
als Septakkorde geschrieben, ohne weiter auf die Optionstöne einzugehen.
Meinen ganz eigenen Weg bin ich in der Ausgestaltung des Instrumentalteils gegangen (Takt 92 -
107). Ich habe die verschiedenen Melodien bzw. Ideen durchweg vierstimmig gesetzt und mich dabei
recht wenig darum gekümmert, was Bublés Bläsersection tatsächlich macht.
Die zweistimmige Notation v.a. der linken Hand solltest du nicht zu genau nehmen. Meistens entspricht
die tiefe Stimme natürlich der Basslinie, trotzdem sollte man das „Klavierkonzept: Der
Grundton bricht nicht weg!“ nicht vergessen.

Spieltipps
Ich saß schon lange genug nur am Arrangement dieses Stückes. Hätte ich geahnt, wie viel Zeit es
mich dann noch kosten würde, mein Arrangement auch spielen zu lernen, ich hätte nicht angefangen
mich mit „Me And Mrs. Jones“ zu beschäftigen. Dieses Projekt habe ich wirklich unterschätzt.
Zunächst sind da die technischen Schwierigkeiten. Wenn ich etwas übe, versuche ich mir darüber
klar zu werden, was genau mir Schwierigkeiten bereitet.
Dezimenläufe in der linken Hand etwa (z.B. Takt 22/23), da muss ich meine Hand einfach viel
schneller bewegen, als ich das eigentlich tun würde oder es mir die musikalischen Linien implizieren
(wie bei Oktavläufen etwa). Meine Hände sind nun mal eher klein.
Ungewohnte bzw. neue Voicings muss man erlernen, sie sich zurecht legen. Das 7-stimmige Am11-
Voicing in der zweiten Takthälfte von Takt 72 war für mich so ein Fall - ein Voicing, das ich noch
nie benutzt habe. Ich erstelle mir dann so was wie einen „Bauplan“: Von wo aus denke ich das Voicing?
Welcher Finger gibt die Struktur vor, dem die weiteren Finger folgen und dann ihre Ziele finden?
Er wird nämlich der Finger sein, den ich als erstes setze. Und um welche Hand kümmere ich
mich zuerst?
Ein richtig oder falsch denken gibt es für mich dabei nicht. Hauptsache, die Finger finden ihren
Weg.
Ein Voicing wie in Takt 30 (Db7) kann ich mit der linken Hand nicht greifen. Ich muss die linke
Hand als Arpeggio spielen, oder Grundton und Sext auf zwei Achtel aufteilen.
Bei schnellen Akkordwechseln in einer Hand (z.B. Takt 98) hilft mir oft die Visualisierung der Tastenfarben
(sw-w-w-sw | sw-sw-sw-sw | w-w-sw-w | usw.).

Stumme Fingerwechsel benutze ich seit jeher gerne, sie sind ein oft unterschätztes technisches Mittel.
Die linke Hand in Takt 92 ist ein solcher Kandidat: Wechsle auf dem Gb stumm vom 5. auf den
1. Finger, dann hast du die Augen frei für die Akkorde in der rechten Hand.
Sobald in der rechten Hand Voicings mit einer Sekunde im Bass auftauchen (z.B. Takt 9/10, Takt
30, Takt 50, Takt 61, etc.) sollte man versuchen, ob sich diese Sekunde nicht allein mit dem Daumen
spielen lässt (Daumenbrücke). Sehr oft ist das einfacher, als 1. und 2. Finger an die Sekunde
„zu verschwenden“.
Auch die Schwierigkeiten in der Songgestaltung haben es in sich - und wie verhext, es erwachsen
neue technische Schwierigkeiten daraus.
Zunächst solltest du dir klar machen, welche Linien im Stück zusammen gehören. Was ist die Gesangslinie,
was ist ein Piano-fill, welche Bläserlinie funktioniert wie? Und welche Dynamik, welche
Klangfarbe gebe ich diesen Stimmen? Das 2x viertaktige Motiv in Takt 9 - 15 etwa (bei Michael
Bublé ein Oktav-Piano) finden wir wieder im Outro (jetzt in den Bläsern), sie korrespondieren also.
Solche Sachen sollte man erkennen, verstehen und in der eigenen Interpretation berücksichtigen.
Die wichtigsten Linien habe ich in der Partitur durch Phrasierungsbögen gekennzeichnet, die Hauptlinie
durch Bögen nach oben, die Nebenlinien durch Bögen nach unten. Du solltest sie herausarbeiten.
Die Gesangslinie solltest du immer deutlich lauter spielen als die restlichen Stimmen. Oft ist das
schwer, wenn die rechte Hand durch ihre Voicingtätigkeit gefesselt ist, wie etwa in Takt 76: Ich
kann das g vom a kommend auf der zweiten Achtel nur schlecht mit dem 4. Finger spielen, es verhungert
mir einfach im Anschlag. Spiele ich es mit dem 5. Finger, muss ich die Bindung aber ins
Pedal übertragen.
Womit wir beim Gebrauch des Pedals wären: Klar, dass es ohne nicht geht, aber wir sollten es bewusst
für verschiedene Zwecke benutzen. (Eine fantastische Einführung in die Möglichkeiten des
Pedals findest du auf www.pian-e-forte.de (nicht: piano-e-forte): „Kleine Lehre des Pedalspiels“.)
Für einige Teile des Stückes empfehle ich den Gebrauch des Halbpedals (etwa Takt 27ff., im Outro),
so dass zum einen der tiefe Grundton auf der Zählzeit Eins nicht komplett wegbricht, die Melodie
darüber aber nicht vermatscht.
Die vierstimmigen Läufe im C-Teil (Takt 92, 98, etc.), Passagen wie den Oktavlauf in der linken
Hand (Takt 113) und ähnliches würde ich versuchen, mit einem Achtelpedaleinsatz möglichst gut
zu binden.
Abschließend noch ein Wort zum Timing: Michael Bublé wechselt wie schon Billy Paul zwischen
triolischer und binärer Phrasierung. Wann man wie phrasiert, finde ich gar nicht so wichtig, aber das
ganze Stück nur triolisch zu interpretieren, alle Duolen und Quartolen einfach irgendwie triolisch
„hinzubiegen“, raubt dem Stück meines Erachtens viel von seiner Spannung und seinem Charakter.
Den jeweils letzten drei Takten der Songteile (Takt 50 - 53 u.ä.) kann man ruhig ein kleines rallentando
spendieren und mit den letzten beiden Achteln wieder das ursprüngliche Tempo aufnehmen.
Als Tempo schlage ich 65 bis 72 bpm vor (Beat ist die punktierte Viertel).
Ich bin ein Stückchen gewachsen mit „Me And Mrs. Jones“. Ich hoffe, du wirst es auch.
Viel Spaß mit meinem Arrangement!
Keep on playing,
Greg

0 of 0 reviews

Leave a review!

Share your experiences with other customers.